Ich
wurde auf eine ganz besondere Propaganda-Ansichtskarte zum
Kolonialthema aufmerksam, die mir in all den Jahren noch nie
aufgefallen war. Ein wirklich sehr seltenes Motiv, das auch in den
üblichen
öffentlichen
Sammlungen nicht zu finden ist.
Hinter
einem symbolischen Grabstein mit Eisernem Kreuz steht der Erzengel
Michael mit Schwert und Schild, der mahnt, daß die Gefallenen von
Tsingtau unvergessen bleiben sollen.
Im Vordergrund ein gefallener Marinesoldat, im Tode noch die Fahne
haltend, umzüngelt von einer Schlange mit asiatischen Zügen, die
Japan symbolisieren soll.
Mit
etwas Aufwand konnte ich das Stück in die Hände bekommen und dann
erwachte die Neugierde. Wer war der Künstler? Bei der Recherche
stieß ich auf ein spannendes Lebensbild vom Kaiserreich bis zum
Nationalsozialismus und ein tragisches Schicksal.
Eine
erste Info gab die
Wikipedia, wobei sich dort ein
grober Fehler eingeschlichen hatte, der inzwischen korrigiert ist.
Friedrich
Kaskeline ist 1863 in Prag geboren, war jüdischer Österreicher, der
vornehmlich für das sozialdemokratische Satireblatt „Glühlichter“
Karikaturen gezeichnet hat, war aber auch für britische Zeitungen,
wie „Graphic“ und „Daily Graphic“ tätig.
Um 1907 wanderte er nach Deutschland aus und ließ sich in Berlin
nieder. Die näheren Umstände und Gründe hierzu bleiben im Dunkel,
aber es ist davon auszugehen, daß er sich weiterhin im linken,
sozialdemokratischen Milieu bewegte.
Mit
Kriegsausbruch im August 1914 folgte er der Sozialdemokratie im
Reichstag und der Gesellschaft. Statt politische Karikaturen
zeichnete er nun Kriegspropaganda und Bilder für Kriegszeitungen wie
„Der Krieg 1914/16 in Wort und Bild“ (Deutsches Verlagshaus Bong).
Interessant ist hier, daß es hauptsächlich Bilder der
österreichischen Ostfront waren. Es kann nun sein, daß er fremde
Berichte und Fotos im Atelier nur in einem Bild illustrierte aber
möglicherweise sogar als Kriegskorrespondent vor Ort war.
Nach
dem verlorenen Krieg löste er sich völlig von der politischen
Arbeit. Er zeichnete nun eher triviale Ansichtskarten und Bilder im
Scherenschnittstil. Besonders für letztere errang er eine gewisse
Anerkennung und Bekanntheit. Nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten wurde er als (linker) Jude verfolgt, mehrfach
verhaftet und misshandelt. Nach Überlieferung in der Familie starb
er 1938 in einem Haftlager.
Die ganze bittere Ironie der Geschichte offenbart sich, wenn wir
zusammenfassen: Ein linker, jüdischer Österreicher engagiert sich im
Rahmen seiner Möglichkeiten im Krieg für Deutschland und wird
schließlich später von ebenjenem ermordet.
Es
folgen einige Beispiele der Propaganda-Karten von Friedrich
Kaskeline, seiner Zeitungsbilder und typischer Werke zur Zeit der
Weimarer Republik. |