Friedrich Kaskeline – Tsingtau 1914


Arne Schöfert

 

Ich wurde auf eine ganz besondere Propaganda-Ansichtskarte zum Kolonialthema aufmerksam, die mir in all den Jahren noch nie aufgefallen war. Ein wirklich sehr seltenes Motiv, das auch in den üblichen öffentlichen Sammlungen nicht zu finden ist.

Hinter einem symbolischen Grabstein mit Eisernem Kreuz steht der Erzengel Michael mit Schwert und Schild, der mahnt, daß die Gefallenen von Tsingtau unvergessen bleiben sollen.
Im Vordergrund ein gefallener Marinesoldat, im Tode noch die Fahne haltend, umzüngelt von einer Schlange mit asiatischen Zügen, die Japan symbolisieren soll.

Mit etwas Aufwand konnte ich das Stück in die Hände bekommen und dann erwachte die Neugierde. Wer war der Künstler? Bei der Recherche stieß ich auf ein spannendes Lebensbild vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus und ein tragisches Schicksal.

Eine erste Info gab die Wikipedia, wobei sich dort ein grober Fehler eingeschlichen hatte, der inzwischen korrigiert ist.
Friedrich Kaskeline ist 1863 in Prag geboren, war jüdischer Österreicher, der vornehmlich für das sozialdemokratische Satireblatt „Glühlichter“ Karikaturen gezeichnet hat, war aber auch für britische Zeitungen, wie „Graphic“ und „Daily Graphic“ tätig.
Um 1907 wanderte er nach Deutschland aus und ließ sich in Berlin nieder. Die näheren Umstände und Gründe hierzu bleiben im Dunkel, aber es ist davon auszugehen, daß er sich weiterhin im linken, sozialdemokratischen Milieu bewegte.
Mit Kriegsausbruch im August 1914 folgte er der Sozialdemokratie im Reichstag und der Gesellschaft. Statt politische Karikaturen zeichnete er nun Kriegspropaganda und Bilder für Kriegszeitungen wie „Der Krieg 1914/16 in Wort und Bild“ (Deutsches Verlagshaus Bong). Interessant ist hier, daß es hauptsächlich Bilder der österreichischen Ostfront waren. Es kann nun sein, daß er fremde Berichte und Fotos im Atelier nur in einem Bild illustrierte aber möglicherweise sogar als Kriegskorrespondent vor Ort war.
Nach dem verlorenen Krieg löste er sich völlig von der politischen Arbeit. Er zeichnete nun eher triviale Ansichtskarten und Bilder im Scherenschnittstil. Besonders für letztere errang er eine gewisse Anerkennung und Bekanntheit. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er als (linker) Jude verfolgt, mehrfach verhaftet und misshandelt. Nach Überlieferung in der Familie starb er 1938 in einem Haftlager.
Die ganze bittere Ironie der Geschichte offenbart sich, wenn wir zusammenfassen: Ein linker, jüdischer Österreicher engagiert sich im Rahmen seiner Möglichkeiten im Krieg für Deutschland und wird schließlich später von ebenjenem ermordet.

Es folgen einige Beispiele der Propaganda-Karten von Friedrich Kaskeline, seiner Zeitungsbilder und typischer Werke zur Zeit der Weimarer Republik.

 

 

 

 

 
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