Der erste Sieg der Deutschen – Kampf bei Hickory
Arne Schöfert

Im Januar 1885 erschien in einer deutschen Zeitung der folgende Bericht mit Bild über ein weltpolitisch eher unbedeutendes Gefecht zwischen deutschen Matrosen und einem Stamm an der Kameruner Küste. Um Anlass, Bedeutung und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zum damaligen Zeitpunkt richtig einschätzen zu können, braucht es einen Rückblick auf die damalige Situation.

Seit dem Krieg von 1871 war dies praktisch der erste kriegerische Konflikt Deutschlands mit einer ausländischen Macht. Von den vielen schweren Kriegen, die auf das Deutsche Reich in den grad erworbenen Schutzgebieten und in China noch zukommen sollten, ahnte niemand etwas. So stürzte sich die Presse auf dieses verhältnismäßig kleine Gefecht.

Die deutsche Besitzergreifung Kameruns verlief bekanntlich nicht gradlinig durch übereinstimmende Interessen mit der Bevölkerung an Kameruns Küste und auch nicht durch einseitige, machtvolle Durchsetzung deutscher Ziele gegen überrumpelte Afrikaner, die nicht wussten, was sie taten. Die Bevölkerung an der Mündung des Kamerun-Flusses, war selbstbewusst und durch den langjährigen Handel mit den Europäern sehr wohl fähig, die Ausländer und die Folgen des Paktierens mit ihnen einzuschätzen. Seit langem suchten sie selbst nach der „passenden Schutzmacht“ für ihre Belange. Nachdem die ersten Bemühungen um eine britische Hoheit unerfüllt blieben, verlief die weitere Entwicklung in einem verwickelten Gespinst von politischen Verhandlungen, geschickten Taktierens, Geschenken und meist leeren Versprechungen.

Die Beteiligten in diesem „Poker um Kamerun“ waren die verschiedenen Küstenstämme, sowie die Briten, Franzosen und Deutschen. Als die Würfel schließlich gefallen waren und die deutsche Flagge gehisst war, war dies – nicht überraschend – keineswegs im Sinne aller Betroffenen.

Green Joss, der Chief von Hickory-Town, war keineswegs einverstanden mit dem Ergebnis und begehrte auf. Dies führte zu dem „ersten Sieg der Deutschen“…

Die Illustration zum Artikel von Adalbert von Rößler (1853 – 1922), einem namhaften Historienmaler und Illustrator, erschien – je nach Zeitungsausgabe – in schwarz-weiß oder als kolorierte Version. Letztere ist sehr selten. Eine hochwertige Reproduktion ist bei Biller-Antik erhältlich.
 

Der Aufstand des an 20., 21. Und 22.Dezember letzten Jahres durch unsere wackeren Marinetruppen unterdrückten Aufstandes bildete das auf dem Delta des Mungoflusses gelegene, von Bell durch den breiten Ausfluß des Kamerun getrennte Hickory. Daß es in diesem Bezirk zu Ruhestörungen kommen werde, wußte man längst, hatte sich doch in letzter Zeit mannigfacher Gährungsstoff angesammelt. Ein kaufmännischer Beamter eines englischen Handelshauses hatte einen der Einwohner von Bell wegen Schulden verhaften lassen, worauf die Eingeborenen den Engländer gefangen nahmen, ferner waren Kruneger , die bei Europäern in Diensten standen, mit Einheimischen in Händel gerathen, wobei einer der Kruneger erschlagen worden war. All diese unzufriedenen, wohl auch noch durch die Thätigkeit weißer Hetzer aufgestachelten Elemente schaarten sich dann um Lock Preso, den Häuptling von Ekre Town (von den Engländer in Hickory umgewandelt). Dieser war, als am 13.Juli 1884 der Vertrag über den Anschluß an Deutschland unterzeichnet wurde, gerade auf einer Handelsreise begriffen und fühlte sich, obgleich nicht selbstständig und unter Oberhoheit des Königs Bell stehend, in seiner Würde gekränkt, weil der Vertreter des deutschen Reiches seine Rückkunft nicht abgewartet. Die Unzufriedenheit, die nun ihr Haupt hatte, steigerte sich bald zur Empörung und, verstärkt durch die Leute der Ortschaft Joß, vertrieben die Bewohner von Hickory König Bell, legten seine Stadt in Asche und bedrohten die Kaufleute. Da trafen rechtzeitig am 18. Dezember die deutschen Kriegsschiffe „Olga“ und „Bismarck“ ein und landeten am 20. 330 Mann und vier Kanonen. Mit lautem Hurrah wurden die steilen, von den Aufrührern besetzten Ufer gestürmt und die Eingeborenen unter dem Donner der deutschen Geschütze in wilde Flucht getrieben. Bell und Joß wurden genommen und letzteres, dessen Bewohner geflohen, am 21.Dezember besetzt. Folgenden Tags wurde Hickory vom Fluß aus beschossen. Der von den Aufständischen gefangen gehaltene Wörmann´sche Agent Pantenius, zu dessen Rettung der Offizier der Olga, Riedel, mit sechzig Mann einen hundert Fuß hohen Abhang stürmte und zwei Stunden lang gegen das feindliche Feuer behauptete, konnte seinen Bedrängern leider nicht entrissen werden und wurde von denselben ermordet. Indeß wurde an beiden Ufern des Kamerun des gefährdete Ansehen der deutschen Flagge nachdrücklich gewahrt und die lokale Ruhe wieder hergestellt, leider nicht ohne Verlust – der Matrose Bugge von der Olga war den Heldentod gestorben, vier Leute wurden schwer, vier andere leicht verwundet, unter Letzteren der Unterlieutenant von Ernsthausen. Der Kaiser hat dem Geschwader allerhöchst seine Anerkennung aussprechen lassen; auf jenes ferne Grab legt das mächtig sich regende Nationalgefühl Deutschlands den verdienten Lorbeer.

 
 

Rückblickend beschreibt Gustav Meinecke um 1898 in seinem Buch „Die Deutschen Kolonien“ (2.Auflage) die Geschehnisse wie folgt. Meinecke war zu diesem Zeitpunkt Chefredakteur der „Deutschen Kolonialzeitung“ (DKZ) und verwendete zur Illustration Bilder, die dort erschienen waren.

Bald nach der Besitzergreifung von Kamerun kam es zwischen der Bevölkerung der dortigen Negerdörfer infolge von kaufmännischen und persönlichen Rivalitäten zu Konflikten. Die eine Partei stellte sich daher auf die Seite der neuen deutschen Schutzherrschaft, die andere trat derselben feindlich gegenüber und wurde in diesem Beginnen noch durch Aufhetzungen von englischer Seite bestärkt. Der Gegensatz zwischen den deutschfreundlichen und den deutschfeindlichen Stämmen spitzte sich immer mehr zu, so daß die dort etablierten Hamburger Handelsfaktoreien die größte Gefahr liefen, von den hauptsächlich Joß- und Hickorynegern bestehenden aufständischen Scharen überfallen und geplündert zu werden. Im Dezember 1884 war die Lage der deutschen Kaufleute Kameruns eine äußerst bedrohte geworden, am 15.Dezember wurde die deutschfreundliche King Bellstadt von den Joßleuten niedergebrannt und die deutsche Flagge insultiert. Unter solchen Umständen ersehnten die Deutschen unter wachsender Besorgnis die Ankunft der deutschen Kriegsschiffe, der Korvetten „Olga“ und „Bismarck“, welche am 18.Dezember auf der Reede erschienen und am 20. ein Landungskorps von 331 Kombattanten mit einer Revolverkanone und mehreren Geschützen in mehreren Abteilungen an das Land setzten. An einigen Punkten standen die Schwarzen in starken Schützenschwärmen in beherrschender Stellung, flohen aber infolge des unwiderstehlichen Anpralls unserer Blaujacken. An den nächsten Tagen gelang es infolge der vorgenommenen Durchsuchung der einzelnen Ortschaften und ihrer Umstellung, mehrere der am meisten an dem Gefecht beteiligt gewesenen Häuptlinge zu Gefangenen zu machen. Gleichzeitig fand die Niederbrennung der noch nicht zerstörten Ortschaften statt. Der mit Ehren bestandene Kampf, in welchem unsere Marinemannschaft Kaltblütigkeit und Besonnenheit mit hingebungsvoller Ausdauer in so glänzender Weise bewies, kostete den beiden Kriegsschiffen einen Toten und achtzig Verwundete. Der Verlust der Neger betrug 26 Tote und einige vierzig Verwundete.

 

Erstürmung von Belltown Inbrandsetzung von Joßtown durch die
deutschen Landungstruppen
 

Angriff der deutschen Marinesoldaten auf die rebellischen Joß- und Hickoryneger in Kamerun
 
 

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