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Richard Knötel – Strandgefecht und
Landungsgefecht
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von
Arne Schöfert |
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fliegt der Blick über das Grafik- und Bücherangebot mit
schnellem Urteil, weil man das schon hundertmal gesehen hat.
Aber dann gibt es diese Momente, da wird man unsicher und
geht zurück: Hier ist doch irgendetwas anders... |
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Die
stürmende Marine-Infanterie am Strand von Richard Knötel ist
unter dem Titel „Landungsgefecht“ verbreitet bekannt. Die
Lithografie, schwarzweiß oder coloriert, taucht in vielen
der patriotischen Bücher aus dem Paul Kittel Verlag über das
deutsche Heer zur Kaiserzeit auf.
Die
obige Chromographie aus dem Gramsch-Verlag zeigt zwar auch
die stürmenden Seesoldaten am Strand, ist aber deutlich als
colorierter Stich erkennbar, von der Ausführung im Strich
viel leichter, feiner und trägt auch einen anderen Titel,
nämlich „Landung der Colonial-Truppe (Strandgefecht)“. Ein
besonderer Fund, den man nicht leicht erkennt!
Im
zweiten Blick erkennt man, daß zwar das Thema und die
Bildaufteilung (Bewegung von links nach rechts wird mental
als vorwärts aufgenommen) ähnlich, aber das Bild doch ganz
anders ist.
Die
Grafik wurde als Einzelblatt verkauft, herausgerissen aus
einem Buch. Heute wird das zum Glück kaum noch gemacht, weil
Scanner und Farbkopierer erfunden wurden und es unnötig ist.
Jetzt zerfetzen nur noch windige Geschäftemacher Bücher, um
die Einzelseiten teurer zu verkaufen, als das ganze Buch
gehandelt wird. Da wird dann regelmäßig die Quelle
verschwiegen, es soll ja niemand merken. Nicht jedes Buch
ist eine Bibel, wo man für das Herausreißen von Seiten
gleich in die Hölle kommt, aber eine dicke Warze auf die
Nase wünscht man diesen Bücherschändern für ihren Frevel
schon…
Nein, das obige Bild wurde schon vor langer Zeit aus dem
Buch getrennt und die Suche nach der Quelle war nicht
einfach (siehe Kasten unten).
Ein
Vergleich mit dem weit bekannterem Bild ist angebracht.
Einmal die Originalversion von Knötel und die verbreitete
Kopie eines unbekannten Künstlers aus dem amerikanischen
Buch „Deutschlands Heer und Flotte“ von Gustav A. Sigel aus
dem Werner-Verlag (Akron, Ohio 1900) - auch als Nachdruck
des Podzun-Palles Verlages von 1989 erschienen. Der Text im
Buch ist zweisprachig, deutsch und englisch.
Links
das Original, unten die amerikanische Kopie, leicht an der
Änderung bei der Signatur „after Knötel“ zu erkennen.
Die
Kopie wirkt sanfter, wie mit einem Weichzeichner bearbeitet.
Der Gesamt-eindruck ist gut, aber
in den Details etwas unsauber ausgeführt.
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Die
Suche nach der Quelle.. |
Für
die Suche standen an Informationen der Künstler, der
Verlag, die Druckanstalt, die Größe und der
Erscheinungszeitraum zur Verfügung. Über eine Suche
im ZVAB kam wenig zum Verlag, kein infrage kommendes
Buch, aber ein Musterheft einer Reihe "Europa' s
Völker in Krieg und Frieden". Über eine zweite
allgemeine Google-Suche kam sehr wenig zu dem Titel,
aber es schien sich zu bestätigen, daß der Verlag
eine Heftreihe herausgegeben hat, die die Käufer
dann in einer zusätzlich gekauften Buchdecke des
Verlages binden lassen konnten. Das war damals
häufig.
Über
eine Suche in der Zeitschriftendatenbank allerdings
kein Ergebnis. Dann ein Fund in einem
österreichischen Kleinanzeigenportal für ein Buch
dieses Titels. Nachdem die Verkäuferin auf Anfrage
bestätigte, daß das Bild im Buch vorhanden ist wurde
es - trotz eines extrem schlimmen Zustandes -
gekauft.
Als
das Buch, besser die Buch-Ruine ankam, bestätigte
sich, daß es Sammelhefte sind, die gebunden worden
waren. Das Buch war nicht nur zerfleddert, sondern
hatte auch Feuchtigkeits- und Brandschäden, als wäre
es aus der Ruine eines abgebrannten Pferdestalls
geholt worden, wo es zur Dämmung in der Wand verbaut
war...
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Inhalt: der erste Jahrgang 1891 und ein Fragment
eines weiteren (des Zweiten?), wo das Bild enthalten
war. Die Titelblätter leider nur teilweise mit
eingebunden. Aus Ihnen ging hervor, daß sich der
Titel der Zeitschrift schon im ersten Jahrgang
verändert hatte. Von "Europa' s Völker in Krieg und
Frieden" in "Deutscher Patriotischer Hausschatz".
Wenn
sich der Titel verändert hatte, mußte die Suche
wieder ausgeweitet werden. In der
Zeitschriftendatenbank fand sich dann eine
Zeitschrift "Soldatenschatz" des Gramsch-Verlages.
Viermal nur der erste Jahrgang 1891, nur einmal auch
der zweite Jahrgang in der Bibliothek der Bundeswehr
in Strausberg vorhanden. Nach einer Kontaktaufnahme
mit der Bibliothek stellte sich heraus, daß dort der
Jahrgang 1892/93 des "Soldatenschatzes" mit dem Bild
vorhanden ist. Die Quelle war gefunden: „Deutscher
Soldatenschatz“, Gramsch-Verlag, Berlin, 1892,
vermutlich Heft 23.
Rätselhaft
ist, daß in Strausberg auch der erste Jahrgang unter
demselben Titel katalogisiert ist. Eine Zeitschrift
"Europa' s Völker in Krieg und Frieden" ist der
Bibliothek völlig unbekannt.
Hat
der Gramsch-Verlag zwei inhaltsgleiche Zeitschriften
parallel unter verschiedenen Titeln für
unterschiedliche Käuferschichten herausgebracht? Das
wäre ungewöhnlich. Hat sich der Titel der
Zeitschrift zweimal geändert? Zuletzt in "Deutscher
Soldatenschatz" und ein früherer Bibliothekar hat
bei der Katalogisierung einfach den letzten Titel
genommen? Ist das Fragment des zweiten Jahrgangs im
gekauften Buch vielleicht doch vom "Soldatenschatz"
und es wurde mit einer anderen Zeitschrift zusammen
eingebunden? Das bleibt ein Geheimnis des
rätselhaften Buches, das übrigens inzwischen als
Spende an die Bibliothek der Bundeswehr gegangen
ist... |
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