Adamaua-Expedition 1893/94


 

Die bergige Region Adamaua liegt im Hinterland Kameruns und zeichnet sich durch eine von vielen Bächen und Flüssen durchzogene Feuchtsavanne in einem Hochland aus. Vom 3.8.1893 bis zum 15.5.1894 erfolgte die erste große deutsche Expedition in dieses Gebiet zur Erforschung und Festlegung der nördlichen Grenzen des Schutzgebietes unter Schirmherrschaft der DKG. Führer der Expedition war Edgar von Uechtritz, Dr. Siegfried Passarge nahm als Arzt und wissenschaftlicher Begleiter teil.

Letzter veröffentlichte danach die Ergebnisse der Expedition auf knapp 600 Seiten in seinem reich illustrierten Buch „Adamaua“ (Dietrich Reimer, Berlin 1895). Einige Antiquariate orientieren sich zur Festlegung des Verkaufspreises an der Seitenzahl, es gibt das Buch aber auch deutlich günstiger. Für den Interessierten an Kolonialgrafiken ist es vor allem lohnend, weil die Bilder darin von keinem Geringerem als Wilhelm Kuhnert sind. 1895, als das Buch erschien, stand er noch am Anfang seiner langen Karriere.

Von den 20 ganzseitigen Tafeln hier eine Auswahl von vier von Wilhelm Kuhnert.

 
 

 
 

Das Tschedtgebirge

Wenn man entlang der vulkanischen Linie, die über die Inseln Annabom, St. Thomas, Principe, Fernando Po das das Camerungebirge hinläuft, in das Innere des Schwarzen Erdtheils eindringt, so erreicht man in der Höhe des 8.Grades nördl. Breite den Südrand eines großen Gebirges, das vor kurzem noch völlig unbekannt war. Zwar hatte Barth bereits die Nachricht von einem Berge Tschebtschi nach Europa gebracht, der sich nordwestlich von Kontscha in großer Länge hinziehe; aber der deutschen Camerun-Expedition war es vorbehalten, dieses Tschebtschigebirge zu durchqueren und näher kennen zu lernen. Seinen Südrand, die Berge von Gangome, sowie seinen Nordrand, das Fumbinagebirge, hatten bereits andere Reisende kennen gelernt; es war aber unbekannt, daß beide die Enden eines zusammenhängenden Gebirges sind. Dieses Gebirge verläuft von Südsüdwest nach Nordnordost, und seine Achse fällt genau mit der Linie des vulkanischen Camerungebirges zusammen. Seine Höhe beträgt 2000 bis 2500 Mtr., seine Länge etwa 20 geographische Meilen. Granite und Gneiße setzen es der Hauptmasse nach zusammen; Eruptivgesteine jüngeren Datums sind an den Flanken des centralen Hauptwalls emporgequollen und dieser selbst wird von einer Basalttafel bedeckt. Entsprechend der energischen Einwirkung der Tropenregen, wird das Gebirge von zahlreichen und tiefen Thälern und Schluchten durchfurcht, die bis weit in das Rückgrat des Hauptkamms einschneiden. Während aber in der Regenzeit, April bis October, die Erosion durch das fließende Wasser thätig ist, die Thäler vertieft, die Gehänge durchfurcht, zerstört während der regenlosen Trockenzeit der Temperaturwechsel zwischen Tageswärme und Nachtkälte die Gesteine, besonders die Granite. Der Fels zerberstet in einzelne Blöcke, gewaltige Schalen springen ab, und so entstehen glatte Wände, Thürme und Buckel von mehreren hundert Metern Höhe, während sich an dem Fußgehänge gewaltige Block- und Schutthalden ansammeln. So schaffen die klimatischen Verhältnisse die verschiedenartigsten und malerischen Oberflächenformen. Tiefe Schluchten, zackige Spitzen, imposante Gebirgswände, waldige Gehänge und fruchtbare Thalsohlen bilden in buntem Wechsel die Scenerie des romantischen Gebirges.

Von gleichem Interesse ist die Flora. Auf der Höhe des Hauptwalls, der von einer Basalttafel gebildet wird, blickt man über ein ebenes, welliges Land, aus dem mehrere hellgraue Phonolithkegel emporragen. Niemand ahnt, daß er sich in fast 2000 Meter Höhe auf dem schmalen Kamm eines Gebirges befindet. Grasland mit einzelnen Büschen dehnt sich vor dem Auge des Beschauers aus. Aber am Rande des wenige tausend Meter breiten, plateauförmigen Kammes angekommen, befindet man sich plötzlich in einer anderen Welt. Über ein Gewirr von Schluchten, Thälern und Bergrücken, Spitzen, Thürmen und Bergwänden streift der Blick: ein unruhiges, verwirrendes Bild gegenüber der Ruhe und Einförmigkeit, die uns kurz zuvor umgaben. Auch die Vegetation hat sich plötzlich geändert. Statt der Grasebene hellgrüne Bergwälder an den Gehängen, Borassuspalmen von 30 und mehr Metern Höhe in den ebenen Thalsohlen. Doka und Kondeli nennt der Haussa die beiden hauptsächlichsten Bäume dieser Wälder, die mit ihrem lichtgrünen, wie lackirte Blechblätter glänzenden Laub in der strahlenden Tropensonne einen wunderbaren Anblick gewähren.

Die Bevölkerung unsers Gebirgslandes besteht aus dem Volke der Dekka. Diese gehören, wie alle Stämme Adamauas, den Sudannegern an. Diese sind meist mittelgroße, aber kräftige Leute mit rundem Negergesicht und von dunkelbrauner Hautfarbe. Ein Zeuglappen, der zwischen den Beinen durchgezogen wird, bildet die Tracht der Männer; die Frauen tragen um die Hüften einen handbreiten Gürtel aus himmelblauen Perlenschnüren, von dem vorn und hinten ein belaubter Zweig herabhängt. Auf dem Kopfe haben sie eine kleine schwarze Kappe. An den Gehängen der Berge und den Thalebenen liegen die Ansiedelungen. Diese werden aus einzelnen Gehöften gebildet, von denen ein jedes mit einem Zaun aus horizontalen Bambusstangen umgeben ist. Mehrere hundert Lehmhütten mit spitzem Grasdach, das typische Haus aller Sudanstämme, sowie kleine brusthohe Thonurnen, in denen man das Getreide aufbewahrt, stehen in dem Inneren eines jeden Gehöftes. Diese Gehöfte pflegen geschlossene Dörfer zu bilden und am Rande ihrer Hirsefelder zu liegen, die sich in den Thälern am Fuß der Berge hinziehen.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Stämmen Adamauas haben die Dekka es verstanden, ihre Freiheit zu behaupten. Im Anfang dieses Jahrhunderts wurde Adamaua von den mohammedanischen Fulbe erobert, ein großer Theil der ursprünglichen Bevölkerung zu Sklaven gemacht oder in die Gebirge gedräbgt. Auch den Dekka ging es nicht besser, soweit sie außerhalb des Gebirges wohnten. Von Osten wurden sie vom Sultanat Yola, von Westen von den Muri bedrängt, deren officielle Grenze der Hauptkamm der Hauptkamm des Gebirges bildet. Aber in dem wilden, schwer zugänglichen Tschebtschigebirge, das den Kern ihres Landes bildet, gelang es ihnen, sich festzusetzen und allen Angriffen der Feinde siegreich zu widerstehen. Bereits das erste Dorf im Inneren des Gebirges ist nicht mehr von den Fulbe abhängig, und der Reisende merkt das sofort an dem Auftreten der Bevölkerung. In dem von Mohammedanern beherrschten Gebiet ist man nämlich an große Handelsreisen gewöhnt, man ist da unbelästigt von Sperrzöllen und Chicanen; in den freien Heidengebieten dagegen beginnt sofort die Misere. Die Haussahändler, die das Gebirge durchqueren, müssen in jedem Dorf ein bis zwei Tage bleiben, Wegezoll bezahlen und Geschenke austheilen. Auch die Fulbe, die mit Rinderheerden von Muri nach Adamaua reisen, büßen zahlreiche Rinder ein, die sie an die Dorfhäuptlinge schenken müssen. Der stolze Fulbe ist hier nicht mehr der Herr, sondern der Bedrückte, und die Heiden quälen denn auch die wenigen Reisenden, die wegen Zeitersparniß das unwirthliche Gebirge durchqueren müssen, nach Herzenslust. Bereits zu Barths Zeiten waren die „Zollstationen“ des Tschebtschigebirges berüchtigt. Auch mir entgingen gleich am ersten Tage, an dem wir das freie Heidengebiet betreten hatten, nur durch Zufall einem schweren Kampf, und auf der Westseite des Gebirges kam es denn auch wirklich zu einer blutigen Auseinandersetzung mit den räuberischen Bewohnern mehrerer großer Dörfer.
Auch zwischen den einzelnen Dörfern bestehen fortwährende Fehden, und während der Trockenzeit pflegen anderseits Kriegszüge von Seiten der Fulbe gegen die in den äußern Theilen des Gebirges gelegenen Ortschaften unternommen zu werden mit wechselndem Glück. Zuweilen gelingt es die Dörfer zu überrumpeln und Sklaven zu machen, oft aber werden auch die Angreifer mit blutigen Köpfen abgewiesen.

Trotz der vielen Feindseligkeiten unterliegen die freien Dekka doch mehr und mehr dem islamischen Einfluß. Und zwar sind es die Alhadji (Mekkapilger), die jene Religion verbreiten. Diese Pilger sind nicht nur bei den Mohammedanern, sondern auch bei den Heiden heilige Männer, und beide kaufen gern die heiligen Amulette des frommen Mannes. Auch begeben sich häufig Charlatane, als Malame (Schriftgelehrte) ausstaffirt, zu den dummen Heiden, um sie durch Taschenspielerkünste zu betrügen und ihnen das Geld aus dem Beutel zu locken. Einer unserer Leute war selbst als solch ein Malam früher im Tschebtschigebirge gewesen, hatte die seltsamsten Wundercuren und Zaubereien verübt, war überall reich beschenkt worden, und jetzt noch, als er mit uns die Orte seiner frühern Thätigkeit wiederbesuchte, wurde Mala Musa allenthalben mit Jubel wieder empfangen und mit Bier tractirt, sodaß er allabentlich betrunken war.
 

 

Unser Bild auf S.21 stellt eine Opferscene vor. An einem von Steinen eingefaßten Opferplatz hocken einige Heiden mit Trommeln und Pauken. Ein Topf mit Bier, Hühner- und Schaffleisch werden dem Geist als Opfer als Opfer hingestellt, daneben steht würdevoll der Alhadji. Wenn der Geist den Opfernden milde gesinnt ist, wenn er sie von Krankheiten bewahren, auf der Jagd Glück verleihen will, müssen die Speisen am nächsten Morgen gnädigst angenommen worden sein. Nun Mala Musa wird schon dafür sorgen, daß sie über Nacht verschwinden, und reiche Geschenke als Lohn obendrein erhalten. Und doch sind diese Charlatane wichtige Vorarbeiter für die Ausbreitung des Islams.

An den Gehöften des Dorfes Gandjani mit seinen Fächerpalmen vorbei schweift auf unserem Bilde der Blick über waldige Gehänge zu einer 1000 Meter hohen steilen Felsgruppe, die auf den Karten des Reisewerks der deutschen Camerun-Expedition – Passarge: „Adamaua“, Dietrich Reimer 1895 – Kayser-Gruppe genannt worden ist und einen Vorsprung des weithin sichtbaren Hauptkammes bildet. Nach einer Bleifederskizze des Verfassers hat es Herr Kuhnert meisterhaft verstanden, dem Leser ein ebenso stimmungsvolles wie naturgetreues Bild von den romantischen Scenerien jenes neuentdeckten Gebirges im Hinterland unserer Colonie Camerun zu geben, das hoffentlich recht bald von neuen Reisenden gründlicher durchforscht werden wird.

 
 


 

Rechts: 
Schulwandbild von Rudolf Hellgrewe
„Im Hochland von Adamaua“.
Verlag Leutert & Schneidewind um 1908.

  Links:
In Adamaua waren bereits Panzerreiter der Fulbe aus dem Norden anzutreffen, mit denen Hans Dominik auf seiner Reise zum Tschadseenoch mehr Berührungen bekam.
Bild von Louis Bombled aus „Das Buch für Alle“ Heft 13/1897.

 

 

 

 



 

   

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